Ich erinnere mich an manche Wintertage meiner Kindheit. Der Kohleofen bollerte, die Fenster waren mit Eisblumen übersät. Es war sicher nicht besonders komfortabel, das Feuer zu versorgen, aber das Wohnen war urgemütlich.
Ein paar Jahre später, in meiner Jugend, waren Klimaanlagen das Non-Plus-Ultra eines modernen Lebens. So etwas gab es bei uns nicht — aber vermutlich träumten viele davon, sich einmal so etwas leisten zu können wie die Menschen in den USA. Mir ging es nicht anders. Dass ich einem Irrtum aufsass, musste ich erst noch lernen.
Räume mit einem viel zu trockenen Klima, jeden Morgen ausgetrocknete Schleimhäute, empfindliche Augen, Unwohlsein — all das lernte ich im späteren Leben kennen. Auf vielen Reisen erlebte ich es immer wieder, dass in Hotelzimmern Tag und Nacht eine Klimaanlage dröhnte. So schlief ich nicht nur wegen der Geräusche schlecht, am Morgen fühlte ich mich auch noch krank wegen trockener Haut, verstopfter Nase und eines rauhen Halses.
Heute stelle ich in einem Hotelzimmer als erstes die Klimaanlage ab und versuche, ein Fenster zu öffnen. Nie im Leben käme ich heute auf die Idee, daheim in so einem künstlichen Klima zu wohnen!
Die Realität sieht für viele Menschen allerdings genau so aus. Jeder Neubau in unserem Land muss den gerade gültigen Vorschriften entsprechen — und die schreiben eine luftdichte Gebäudehülle vor. Um in so einem Gebäude leben zu können, benötigt man — eine Belüftungs- oder Klimaanlage.
Wir haben es weitgehend verlernt, ein natürliches Wohnklima zu nutzen. Um zu sparen, verpassen wir unseren Häusern luftdichten Hüllen. Wenn die dann zu einem unerträglichen Klima führen, werden schon mal die Dichtungen der Fenster nachträglich entfernt oder Zwangsbelüftungen eingebaut.
In meinem alten Lehm-Fachwerkhaus zieht es bestimmt durch manche Tür und die alten Kastenfenster werde ich sicher erst in ein paar Jahren renovieren. Aber das Klima im Haus ist weitgehend angenehm. Nein, ich möchte nicht weiter abdichten und so für weniger Luftaustausch sorgen.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass unsere Gesellschaft in Sachen Neubauten auf einem Irrweg ist.
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