Wettbretter

Wett­bret­ter wer­den in der Vo­gels­berg­re­gi­on min­des­tens seit dem 19. Jahr­hun­dert be­nutzt.  Man fin­det sie auch heu­te noch an vie­len Ge­bäu­den.  Sol­che Wän­de he­ben sich mit ih­rem in­di­vi­du­el­len Er­schei­nungs­bild wohl­tu­end von der in­dus­tri­ell ge­fer­tig­ten, lang­wei­li­gen Ein­heits­fas­sa­de ab.  Zu­sam­men mit klein­for­ma­ti­gen Schin­deln, die häu­fig in Kom­bi­na­ti­on mit Wett­bret­tern um Fens­ter her­um und an an­de­ren An­schlüs­sen zu fin­den sind, prä­gen sie vie­le alte Häu­ser in der Vogelsbergregion.

Ne­ben dem wun­der­ba­ren An­blick hat­ten Wett­brett­wän­de aber na­tür­lich auch eine Auf­ga­be.  Sie dien­ten dem Wet­ter­schutz und hier­bei wa­ren sie vor al­lem wich­tig ge­gen Schlag­re­gen in den et­was rau­he­ren Re­gio­nen der Mittelgebirge.

alte Wettbrettwand

alte Wett­brett­wand in Li­chen­roth, weit­ge­hend intakt

Wie halt­bar die­se Wand­ver­klei­dun­gen sind, kann man an man­chen Scheu­nen se­hen, an de­nen of­fen­sicht­lich ur­alte Wett­brett­wän­de den Schutz der Ge­bäu­de über vie­le Jahr­zehn­te ge­währt ha­ben — und die er­sicht­lich kaum oder nie ge­pflegt wur­den.  Das Kri­te­ri­um für den Ver­fall wa­ren oft die weg­ros­ten­den Nä­gel, nicht das Holz.

Verschandeln statt Verschindeln

In der Nach­kriegs­zeit wa­ren die Men­schen be­geis­tert von den neu­en Bau­stof­fen.  Schnell, bil­lig und prak­tisch war die De­vi­se.  Um­welt- und Ge­sund­heits­aspek­te wur­den ver­nach­läs­sigt.  Nicht nur im Bau­we­sen, auch in an­de­ren Be­rei­chen stan­den Wirt­schaft­lich­keit und Pro­fit im Vordergrund.

Zementschindeln statt Wettbrettern

Ze­ment­schin­deln aus den 80er Jah­ren — im­mer­hin nicht asbestbelastet

So kam es, dass Asbest­be­ton, kunst­stoff­ba­sie­ren­de Far­ben und an­de­re neue Bau­stof­fe ih­ren Sie­ges­zug an­tre­ten konn­ten — ohne dass die Men­schen auch nur ahn­ten, was sie sich in Sa­chen Ge­sund­heit und den Ge­bäu­den in Sa­chen Sub­stanz antaten.

Heu­te muss man schon froh sein, wenn die ze­ment­ba­sier­ten Wand­ver­klei­dun­gen aus den 70er Jah­ren nicht asbest­be­las­tet sind und mit viel Auf­wand und für viel Geld ent­sorgt wer­den müs­sen.  Nun, der Ein­satz von Asbest ist mitt­ler­wei­le ver­bo­ten — an­de­re Sün­den wie iso­lie­ren­de Far­ben auf Fach­werk wer­den aber wei­ter­hin be­gan­gen.  Dass da­durch der An­blick un­se­rer Ge­bäu­de und Dör­fer ver­schan­delt wird, schei­nen vie­le Men­schen nicht wahrzunehmen.

Schalungen kann jeder!

Heu­te wer­den Wett­brett­wän­de häu­fig durch Bo­den-De­ckel­scha­lun­gen oder Stülp­scha­lun­gen er­setzt.  Der Cha­rak­ter der Ge­bäu­de geht da­bei ver­lo­ren, wird aber kri­tik­los in Kauf ge­nom­men.  Das wich­tigs­te Ar­gu­ment ist meist der güns­ti­ge Preis die­ser Wand­ver­klei­dun­gen.  Der wah­re Grund dürf­te al­ler­dings sein, dass viel­fach das hand­werk­li­che Kön­nen nicht mehr vor­han­den ist, um eine halt­ba­re Wett­brett­wand zu bau­en.  Je­doch:  Was im Neu­bau noch eine be­son­de­re, rus­ti­ka­le Note sein mag, ist bei ei­nem Haus von mehr als hun­dert Jah­ren eine Verschandelung.

Wenn „schnell-schnell“ und „bil­lig-bil­lig“ re­gie­ren, dann be­kommt man, was der Hand­wer­ker kann:  Spax­schrau­ben in Bau­holz.  Auf der Stre­cke bleibt un­ser Kulturerbe.

Es geht auch anders

Wettbrettwand

Wett­brett­wand in Li­chen­roth, zir­ka 2005 gebaut

Ab und zu kann man es heu­te noch be­ob­ach­ten:  Es wer­den wie­der neue Wett­brett­wän­de ge­baut.  Das ist si­cher noch kein Trend, aber ein er­freu­li­cher An­fang.  Wie schön die­se Wän­de sein kön­nen, be­le­gen man­che Bei­spie­le auch bei uns in der Vogelsbergregion.

Al­ler­dings:  Nicht je­des Pro­jekt ist ein vol­ler Er­folg.  Wer — wie ich — ohne Er­fah­rung und in Ei­gen­leis­tung so eine Wand baut, der wird ver­mut­lich ein paar Feh­ler ma­chen.  Trotz­dem passt die neue West­wand an un­se­rem Haus viel bes­ser als die häss­li­chen Ze­ment­schin­deln.  Aber mit dem Wis­sen von heu­te wäre sie eben noch schö­ner geworden.

Fra­gen Sie also ru­hig mal nach, wenn Sie eine Wett­brett­wand in Auf­trag ge­ben oder gar selbst bau­en wol­len.  Ich be­ra­te Sie gerne.

PS. Wir ha­ben im Som­mer 2016 ein klei­nes For­schungs­pro­jekt zum The­ma „Wett­bret­ter“ ge­star­tet.  Schau­en Sie doch mal rein: https://wettbretter.de/